Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

Der letzte Roman Thomas Manns ist unvollendet. Es ist die vertiefte und weitergeführte Geschichte des Hochstaplers Felix Krull, dessen „Aufzeichnungen" in eine weit frühere Schaffenszeit des Meisters zurückweisen. Jetzt sind aus den Aufzeichnungen „Bekenntnisse" geworden, und von diesen Bekenntnissen ist der erste Band als „der Memoiren erster Teil" 1954 erschienen, ohne dass diesem ersten Teile ein zweiter abschließender und vollendeter gefolgt wäre. Der Dichter selbst bekannte, dass 1954 „noch nicht eine Zeile" einer Fortsetzung vorhanden sei, weil immer andere Pläne, besonders die Vorbereitung eines Lutherbuches oder Lutherromans, die Arbeit am Krull verzögerten. Man kennt also nur den ersten Teil des Werkes und kann auf das weiterhin Geplante nur wenig Schlüsse ziehen. Einige Bemerkungen weisen allerdings auf das hin, was in einem abschließenden Bande folgen sollte ...

Es handelt sich um erdichtete Memoiren, um eine fingierte Autobiographie. Und es liegt schon in der Tatsache, dass Felix Krull die Beschreibung seines Lebens für wichtig und lesenswert hält, die Anmaßung einer Bedeutung, die ihm von Hause aus nicht zukommt. Er stellt sich damit in die Reihe bedeutender Künstler, Fürsten, Politiker, in eine Gruppe von Menschen also, die Geschichte gemacht oder den Geist der Menschheit gefördert haben, eine Gruppe also, in die er, weiß Gott, nicht gehört. Der Dichter dieser „Memoiren" freilich sieht in ihnen etwas sehr Interessantes, Dokumente des Menschseins, und zu diesen Dokumentationen gehörte zuerst die grundlegende Tatsache, dass Krull selber seinen Erlebnissen und Schicksalen ein Gewicht zumisst, welches in keinem Verhältnis zu seinem menschlichen Gehalt, wohl aber im richtigen Verhältnis zu den aufschlussreichen Ereignissen seiner abenteuerlichen Karriere steht. Daher ist der Titel bereits in dem hochstaplerischen Sinne gemeint, der in diesem Werk alles bestimmt, humoristisch und ernsthaft zugleich ...

Der Titel des Romans trägt jedenfalls bereits das Zeichen eben sowohl der Hochstapelei wie der Ironie. Es wird sich herausstellen, dass Felix Krull, der Hochstapler, auch zugleich eine ironische Spielart des gesellschaftlichen Menschen, ja sogar des organischen Seins überhaupt ist, eine Gestalt des vergänglichen Scheins, eben sowohl eine Laune der Natur, die auch das Scheinhafte am Rande und außerhalb ihrer Ordnungen einmal großmütig und aus Lust an der Verschwendung zulässt, wie eine Persiflage des sozial-menschlichen Gefüges, das sich in ihm grundsätzlich aufhebt und als Schein, sich selbst verzerrend, spiegelt ...


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(Aus Paul Altenberg: „Die Romane Thomas Manns – Versuch einer Deutung",
Hermann Gentner Verlag, Bad Homburg vor der Höhe, 1961)

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